Coda**
Zunächst sind wir an dem Restaurant fast vorbei gegangen. Es befindet sich im Erdgeschoss eines recht unspektakulären 5 stöckigen Gebäudes dessen Fassade teils von Graffiti beschmiert ist, von dem oberen Balkon eine Länderflagge runter hängt, das Fenster des Restaurants mit Gardine verhüllt ist und daneben ein noch recht junges Pflänzchen vom wilden Wein ganz schüchtern die Fassade hochklettert. Lediglich die 4 kaum auffälligen Buchstaben deuten darauf hin, dass wir hier genau richtig sind. Wir sind pünktlich und es geht los!

Beim Betreten des Gourmetrestaurants taucht man in eine völlig andere Welt ein. Wir fühlen uns von der ersten Minute an sehr wohl. Das Restaurant ist sehr edel eingerichtet, die abgedunkelte Beleuchtung sorgt für eine behagliche Atmosphäre, wir bekommen einen der besten Tische zugewiesen, von dort aus habe ich das ganze Geschehen jederzeit im Blick.
Als erstes stehen zwei Entscheidungen an, nehmen wir einen optionalen Gang und welche Flasche unser Dinner begleiten soll. Bei dem Zusatzgang mussten wir nicht lange überlegen, das „Kaviareis am Stiel“ wollte ich unbedingt probieren. Man bereitet sich auf so einen Besuch schließlich vor. Bei der Getränkeauswahl war uns Chris, eine rheinische Frohnatur, behilflich. Per Ausschlussverfahren ist es dann Etienne Calsac Champagner Les Rocheforts Blanc de Blanc Premier Cru geworden nachdem es vorweg als Aperitif einen Sake gegeben hat.


Es geht los mit einem Gummibär von der gelben Beete bestäubt mit getrocknetem Ahornsirup. Wer schon mal Gemüse selbst dehydriert hat, weiß wie intensiv der Geschmack sein kann.

Das lauwarme Bällchen aus Knochenmark und Süßkartoffel ist eine Geschmacksbombe, es kann so weiter gehen.

Der dritte Snack ist mit Käse gefüllt und mit reduziertem Steckrübensaft verziert. Ein Happs und es ist weg.

Zur Einstimmung auf den nächsten Gang wird uns Tymianwasser auf die Hände gesprüht. Der Teller kommt mit einer Mascarponecreme am Tellerrand getoppt mit Wirsingflakes. Durch den Service wird ein Grapefruitsüppchen eingegossen. Es sind sehr viele verschiedene Konsistenten auf dem Teller und stets präsent der Thymianduft, welcher sehr gut mit Grapefruit harmoniert.

Der nächste Gang ist ein geschichtetes Törtchen getoppt von einem knusprigen Auberginenchip. Es sieht wunderschön aus und ist eine handwerkliche Meisterleistung.

Der Kopfsalat war die große Überraschung, was das Mundgefühl angeht. Es war getrocknet und hauchdünn und machte so einen zerbrechlichen Eindruck, dass man als Gast stolz darauf sein konnte das Gebilde vom Teller in den Mund unfallfrei befördert zu haben. Sobald es nämlich auf die Lippen kam, löste es sich sofort auf.

Die Waffel war der Hammer und genau unser Beuteschema und nicht nur deshalb, weil es eines der herzhaften Gerichte war. Davon hätte ich einige verspeisen können!


Gleich danach kam eine Abkühlung mit Rhabarberkompott verborgen unter einer sehr filigranen Scheibe Estragonschokolade.

Und da ist er! Unser Zusatzgang. Optisch erinnert es mich an ein Mini-Magnum-Eis. Es schmeckte leicht gesalzen, hatte einen wunderbaren Schmelz und überraschte wiederum mit seiner Konsistenz. Die Topinambur war im Vanilleeis eingearbeitet. Wir haben Topinambur im Garten, auf die Idee sie in einem Eis zu verarbeiten wäre ich nie gekommen. Der Kern bestand aus einer Pekannuss Ganache.

Der folgende Käsekuchen versteckt sich unter einer dünnen Scheibe getrockneten Sellerie. Sie wurde vorsichtig mit einem Löffel geknackt bevor eine Espresso-Mandel-Emulsion eingegossen wurde.

Die Blüte geformt aus hauchdünnen Apfelscheiben auf Süßkartoffelboden ist uns zwar geschmacklich nach einiger Zeit nicht mehr so präsent wie manche andere Gänge, aber sie war sehr harmonisch in die Menüfolge eingebunden.

Die nächste Schweinerei ist knusprig und pikant und ebnet den Weg für den folgenden Lifeact, bei dem endlich die dunkle Schokolade zum Einsatz kommt.

An dieser Stelle darf man in die Küche, um die Aufbereitung der Kakaobohne hautnah mitzuerleben.
Zurück an den Tisch erwartet uns der beste Gang des Abends! Dieser Signature Dish hat uns geschmacklich am besten gefallen. Es war cremig durch die schwarze Knoblauchcreme, aromaintensive durch die Petersilienwurzel und erfrischend durch die angegossene Petersiliensauce. Absoluter Favorit!

Vor dem süßen Abschluss beehrte uns der Chef am Tisch. Wir haben uns eine ganze Weile unterhalten und viele Hintergrundinformationen erfahren. Ich hatte das Glück an einem Steintisch zu sitzen, darüber hinaus gibt es auch Holztische. Der Stein hatte die Umgebungstemperatur angenommen, hatte eine sanfte matte Oberfläche und eine natürliche Haptik, sodass ich unbemerkt den ganzen Abend lang den Tisch gestreichelt habe. Daher drängte sich mir die Frage nach dem Stein auf. René sagte, dass es ein regionaler Naturstein sei, was mir besonders imponierte. Interessant war auch zu erfahren, dass René einen Mietvertrag mit einer Laufzeit von 18 Jahren geschlossen hat. Sehr mutig! Das sind Visionäre und dafür bewundern wir sie auch! Das persönliche Gespräch am Tisch und die lockere und vertraute Art vom Chris waren das I-Tüpfelchen an diesem so wundervollen Abend. Vielen Dank, dass wir diese Erfahrung mit euch machen durften!
